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13.2.2021

Staatsfonds, Anlageberatung, Honorarberatung, Provisionskürzung?

Teil 1 – Kommt die Doppelrente mit einem Staatsfonds?

Der BDV Bundesverband Deutscher Vermögensberater vertritt als größter Berufsverband mit über 14.000 Mitgliedern die Interessen selbstständiger Vermögensberater. Seit seiner Gründung im Jahr 1973 trägt der Verband somit dazu bei, die Notwendigkeit der privaten Vorsorge als Ergänzung der staatlichen Sicherungssysteme breiten Bevölkerungskreisen zu erklären und Lösungen sowie Produkte bereitzustellen.

Welche politischen Strömungen stellen Sie derzeit fest, mit denen die Branche konfrontiert ist?
Dr. Helge Lach, stellv. Vorsitzender des BDV: „In Brüssel als auch in Berlin gibt es, obwohl die Lehman-Krise bereits lange abgearbeitet wurde, politische Kräfte, die weiterhin gegenüber der Finanzbranche negativ eingestellt sind und die Marktregulierung immer weiter vorantreiben wollen. Ein bekanntes Beispiel ist, weg von der Provision, hin zur Honorarberatung. Ein Stück weit steckt da Ideologie dahinter. Denn die Vermittler in Deutschland waren nicht diejenigen, die älteren Menschen für die Altersvorsorge Lehman-Zertifikate verkauft haben. Und es gibt auch sonst keine nachweisbaren Missstände in der Beratung. Warum also immer mehr Regulierung? Das führt am Ende dazu, dass es immer weniger Vermittler geben wird, weil die Belastung mit Bürokratie von Jahr zu Jahr zunimmt. Das nutzt dem Kunden nichts, im Gegenteil. Und es nimmt jede Freude an der Beratung zu so wichtigen Themen wie Altersvorsorge und Geldanlage. Genau dafür treten wir aber an.“

Fehlt den Politikern das Verständnis für die Nöte der Menschen in Finanzfragen?
Friedrich Bohl, Kanzleramtsminister a. D. und Vorsitzender des BDV: „Das ist ähnlich wie mit der Medizin. Wenn ich Schmerzen habe und damit nicht zurechtkomme, gehe ich zum Arzt. Der diagnostiziert und verschreibt mir das passende Medikament. Auch bei Finanzfragen kennen sich neun von zehn Bürgern nicht aus. Sie brauchen deshalb einen Berater, der den Bedarf ermittelt und die passenden Finanzprodukte empfiehlt. Es gibt durchaus Politiker, die das sehen und den Berufsstand der Berater und Vermittler unterstützen. Es gibt aber eben auch andere, die uns unterstellen, die Kunden ständig zu übervorteilen. Warum sollte ein Vermittler dies tun? Er würde sich seiner Existenzgrundlage berauben. Denn man kann diesen Beruf nur dann erfolgreich ausüben, wenn die Kunden zufrieden sind. Nur dann erhält man Empfehlungen und kann mit Folgegeschäften rechnen. Außerdem kommen die meisten Kunden aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld des Vermittlers. Es würde sich sehr schnell herumsprechen, wenn ein Vermittler nicht ordentlich berät.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview Teil 1.

Teil 2 – Honorarberatung und Provisionskürzung – Die Zukunftsperspektive der Branche steht auf dem Spiel!

Die Abschlussprovisionen für Restschuldversicherungen sollen nach dem Willen der Bundesregierung auf maximal 2,5 % der versicherten Darlehenssumme begrenzt werden. Die LV-Provisionen will das Bundesfinanzministerium kürzen. Und in Brüssel wird immer wieder aufs Neue darüber diskutiert, ob Provisionen nicht generell abgeschafft gehören.

Sind wir auf direktem Weg hin zum Honorar als der allein noch zulässigen Vergütungsform für die Beratung?
Dr. Helge Lach, stellv. Vorsitzender des BDV: „Von der Restschuldversicherung gleich auf das große Ganze zu schließen, ist sicherlich überzogen. Denn in diesem Bereich tun sich auch für uns Fragezeichen auf. Trotz klarer Hinweise der BaFin und
mehrfacher Warnungen aus der Politik hat sich bei den Provisionshöhen – die Rede ist von bis zu 70 % des Einmalbeitrags – nicht viel getan. Wer einen Kredit benötigt, ist auf das Wohlwollen der Bank angewiesen. Diese Notsituation und die Abhängigkeit des Kunden mit einer Verpflichtung zum Abschluss einer Restschuldversicherung mit derart hohen Provisionen auszunutzen, ist nicht in Ordnung. Von diesem Geschäft profitieren die Banken und Sparkassen und einige wenige Versicherer. Der Marktanteil ist geradezu homöopathisch. Wir finden es ausgesprochen unglücklich, dass diese Randerscheinung und das Verhalten einiger weniger Anlass dafür bieten, dass jetzt ein Provisionsdeckel Eingang in die Gesetzgebung gefunden hat. Das könnte natürlich als eine Art Blaupause dienen.“

Also doch der Weg in die Honorarberatung?
Dr. Helge Lach: „Glücklicherweise gibt es Politiker, die sehr wohl wissen, was die Vermittler generell leisten und die dafür eintreten, dass diese Arbeit angemessen vergütet wird. Ohne Zweifel gibt es aber auch Stimmen, die
Provisionen am liebsten ganz abschaffen und stattdessen die Honorarberatung durchsetzen wollen. Die Argumente sind nicht haltbar. Missstände gab es in erster Linie im Bereich der Geldanlage. Da gab es Vertriebe, die ahnungslosen Kunden mit Hochglanzprospekten Steuersparmodelle und Produkte des Grauen Kapitalmarktes als Altersvorsorge verkauft haben, die nicht selten im Totalverlust geendet sind. Das Ganze gipfelte in der Finanzkrise mit der Lehman-Pleite. Auch deutschen Anlegern wurden vornehmlich von Banken Lehman-Zertifikate verkauft. Das ist spätestens seit Einführung von neuen Regelungen für Banken sowie des § 34f Gewerbeordnung für Vermittler im Jahr 2013 Vergangenheit. Durch die Verpflichtung zur Zulassung zur Finanzanlagenvermittlung, einen sehr anspruchsvollen Sachkundenachweis und die Aufsicht durch die Industrie- und Handelskammern und Gewerbebehörden sowie die Geschäftsüberprüfung durch Wirtschaftsprüfer hat sich der Markt komplett bereinigt und die Beratungsqualität hat deutlich zugenommen. Eine Regulierung also, die ohne Eingriff in die Vergütungen wirklich Gutes bewirkt hat. Im Versicherungsbereich hat die Branche in den letzten Jahren im Kontext des LVRG neue Vergütungsmodelle entwickelt, in denen laufende Provisionen mehr Bedeutung haben und Abschlussprovisionen auf mehrere Jahre verteilt werden. Die oft monierte Anreizwirkung beim Abschluss ist, wenn es sie überhaupt je gab, damit schwächer und der Anreiz, sich um den Fortbestand von Verträgen zu kümmern, hat zugenommen.“

Kritiker der Abschlussprovision argumentieren auch mit den niedrigen Zinsen.
Friedrich Bohl, Kanzleramtsminister a. D. und Vorsitzender des BDV: „Die Frage sei erlaubt, warum Vermittler wegen niedriger Zinsen und sinkender Renditen auf Teile ihres Einkommens verzichten sollen? Der niedrige Zins ist mit Blick
auf die hohe Staatsverschuldung vieler EU-Mitgliedsstaaten und die damit zusammenhängende Stabilität des Euro in erster Linie politisch motiviert. Niemand fordert, deshalb die Diäten der Politiker zu kürzen. Die Vermittler hingegen sollen die Zeche für etwas bezahlen, wofür andere verantwortlich sind. Außerdem betreffen die sinkenden Überschussbeteiligungen ausschließlich die Bestände und Produkte mit Garantien. Die Deckelung der Abschlussprovision würde deshalb komplett ins Leere gehen, weil sie sich naturgemäß auf das Neugeschäft bezieht und Renditeschwächen im Bestand nicht ‚heilen‘ kann. Im Neugeschäft hingegen werden fast nur noch fondsgebundene Lebensversicherungen angeboten. Wenn es einen Zusammenhang zwischen Provision und Rendite gäbe, müssten bei steigenden Aktienkursen die Provisionen eigentlich erhöht werden. Ganz nebenbei hat ein wissenschaftliches Gutachten der Universität Ulm ermittelt, dass selbst bei Garantieprodukten ein Provisionsdeckel nur minimale Auswirkungen auf die Rendite der Verträge hätte. Der maßgebliche Stellhebel sind die Kapitalanlagen, nicht die Provision. Uns stört schon sehr, dass in diesem insgesamt komplexen Sachverhalt nach unserem Eindruck manchmal absichtlich einzelne Argumente aus dem Zusammenhang gerissen werden, um die Arbeit der Vermittler zu diskreditieren.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview Teil 2.

Teil 3 – Anlageberatung zum Nulltarif? Der Berufsstand des Anlageberaters in Not

Versicherungsmakler, Versicherungsvertreter und Finanzvermittler werden konfrontiert mit abschmelzenden Einnahmen durch gesetzliche Regelungen und ansteigenden Kosten durch Regulatorik und Administration. Betrachtet man diese beiden Effekte und die Vielzahl der dahinter stehenden Maßnahmen, dann muss man sich berechtigte Sorgen um den Berufsstand machen. In Teil 3 unserer Interviewreihe nehmen die BDV-Vorstände Friedrich Bohl und Dr. Helge Lach Stellung zur Marktlage des freien Vertriebs:

Die Anzahl der Versicherungsvermittler nimmt signifikant ab. Liegt es am Einkommen?
Dr. Helge Lach, stellvertretender Vorsitzender des BDV: „Auch. Die Vergütungen sind ja in vielen Bereichen unter Druck. Die Abschlussprovision in der Krankenversicherung wurde gedeckelt, die in der Lebensversicherung über das LVRG abgesenkt bzw. in ratierliche Modelle umgewandelt. Bei der Geldanlage setzen immer mehr Anleger auf ETFs, für die es keine Ausgabeaufschläge gibt. Und in der Baufinanzierung bekommen Vermittler das Geschäft bei der Bank oft nur dann untergebracht, wenn Teile der Provision zur Stützung der Konditionen eingesetzt werden. Auf der anderen Seite steigen die Kosten der Vermittler, vor allem durch immer mehr Regulierung. Unter dem Strich bleibt dann immer weniger übrig, was natürlich den einen oder anderen zur Aufgabe zwingt. Trotzdem gibt es immer noch viele Vermittler, die sehr erfolgreich arbeiten. Die meisten unserer Verbandsmitglieder profitieren davon, dass sie im Produktangebot als Allfinanzberater sehr breit aufgestellt sind und insoweit viele Einkommensmöglichkeiten haben. Außerdem bietet der Anschluss an eine professionelle Vertriebsgesellschaft den Vorteil, auf der Kostenseite stark entlastet und im Vertrieb hochprofessionell unterstützt zu werden. Für kleine Einzelkämpfer wird es in jedem Falle immer schwerer.“

Beim europäischen Altersvorsorgeprodukt „PEPP“ und beim Riester-Standardprodukt soll es einen generellen Kostendeckel in Höhe von einem Prozent geben? Was halten Sie davon?
Friedrich Bohl, Kanzleramtsminister a. D. und Vorsitzender des BDV: „Die Grundidee des PEPP ist nicht schlecht, da es heute nahezu unmöglich ist, private Altersvorsorgeprodukte innerhalb der EU zu übertragen. Das betrifft aber nur einen sehr kleinen Teil der Bürger, nämlich diejenigen, die ihr Arbeitsleben in mehreren Ländern der EU verbringen. Anders als in anderen Staaten gibt es in Deutschland eine Vielzahl staatlich geförderter Altersvorsorgeprodukte. Der Grundgedanke, gar nicht so sehr auf das PEPP zu schauen, sondern Riester zu vereinfachen, ist deshalb genau richtig. Ein im Raum stehender Kostendeckel in Höhe von einem Prozent geht aber völlig an den Realitäten vorbei. Damit ließen sich nach heutigem Stand noch nicht einmal die
Verwaltungskosten decken. Selbst wenn dies gelänge, wäre kein Cent mehr für Beratung und Vermittlung verfügbar. Wer bitte soll dann bei den Bürgern den Bedarf wecken, das Produkt erklären, bei der Vermittlung durch Ausfüllen der Formulare unterstützen und während der Laufzeit jedes Jahr dabei helfen, die volle Zulage zu erhalten? Es erstaunt nicht, dass diejenigen, die einen solchen Kostendeckel fordern, genau die sind, die für Riester ein Obligatorium oder am besten gleich einen Staatsfonds haben wollen. Es geht hier also nur vordergründig um eine Kostendiskussion. Dahinter steckt die Systemfrage: Gibt es zukünftig überhaupt noch eigenverantwortliche private Altersvorsorge?“

Angenommen, eine neue Bundesregierung verstaatlicht tatsächlich die private Altersvorsorge. Welche Konsequenzen hätte dies für die freien Vermittler?
Dr. Lach: „Im Durchschnitt beläuft sich der Anteil der Einnahmen eines Vermittlers aus dem Bereich Lebensversicherung heute auf 30–40 %. Über diese Größenordnung reden wir, wenn es um die private Altersvorsorge geht. Es gibt aber viele andere Bereiche, in denen die Bürger dringend die Hilfe eines Beraters benötigen. Zum Beispiel bei den vielfältigen Fragestellungen der Absicherung einer jungen Familie, bei der Finanzierung und Versicherung von Immobilien, bei der Geldanlage oder bei der Frage, welchen Versicherungsschutz man in welcher Größenordnung in welcher Phase des Lebens benötigt. Dazu kommen vielfältige Serviceleistungen wie Schadenregulierung, Vertragsanpassungen oder eine generelle Neuordnung vorhandener Verträge. Es stellt sich also nicht die Frage, ob Vermittler benötigt werden. Die Frage wird sein, wie deren wertvolle Arbeit vergütet werden kann. Im Vorteil ist ganz sicher ein Vermittler, der viele Einkommensquellen hat. Auch werden sich die Versicherer und die Banken etwas einfallen lassen müssen, um sicherzustellen, dass ihre Vermittler genug verdienen, um ihre Arbeit mit Freude und kundenorientiert auszuüben. Am Ende bezahlt das aber dann doch alles der Kunde, egal wie man es dreht und wendet. Ein signifikanter Ausfall von Einnahmen aus dem Bereich Altersvorsorge müsste also gegebenenfalls durch höhere Einnahmen aus anderen Bereichen kompensiert werden. Aber ganz so weit kommt es ja vielleicht auch gar nicht. Wir setzen uns in jedem Falle mit ganzer Kraft für eine Altersvorsorge ein, die auf drei Säulen steht: Der besonders starken Säule der gesetzlichen Rente und dazu privatwirtschaftlich organisierte betriebliche und private Vorsorge. Alles andere wäre der Stabilität des Gesamtsystems nicht zuträglich.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview Teil 3.