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10.12.2021

Rentenpläne der Ampelkoalition:

Mehr Staat, weniger Eigenverantwortung

Die Rentenpläne der neuen Koalition haben es in sich: die gesetzliche Rente soll gestärkt und durch kapitalgedeckte Anwartschaften ergänz werden, in der privaten Altersvorsorge fällt Riester weg, dafür soll es einen Staatsfonds geben. Und für Selbständige wird Altersvorsorge zukünftig verpflichtend. So lassen sich die wichtigsten Neuerungen zusammenfassen.

Gesetzliche Rente

In der gesetzlichen Rente wird die Politik der Vorgängerregierung weitgehend fortgesetzt: Rentenkürzungen sind tabu, ebenso das Renteneintrittsalter von 67 Jahren. Das Rentenniveau bleibt bei 48 Prozent, und der Beitragssatz soll bis zum Ablauf der Legislatur im Jahr 2025 nicht über 20 Prozent ansteigen. Was die Rentner freuen wird, müsste eigentlich die jungen Menschen beunruhigen. Denn die sind es, die mit ihren Erwerbseinkommen die Renten finanzieren müssen. Das Problem dabei: Die Anzahl der Rentner steigt in den nächsten 30 Jahren von Jahr zu Jahr an, während die Anzahl der Erwerbstätigen rückläufig ist. Das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente gerät also mit dem Eintritt der Babyboomer immer mehr unter Druck. Diesen Druck hätte man nehmen können. Aber genau das will die Ampelkoalition offensichtlich nicht, denn die entscheidenden Stellgrößen dafür, der Beitragssatz, das Rentenniveau und das Renteneintrittsalter werden nicht ?angefasst?. Es stellt sich die Frage nach den Ursachen für diese Politik. Die Antwort kann wohl nur sein, dass die Lösung des Finanzierungsproblems der nächsten Regierung überlassen werden soll. Denn ab dem Jahr 2025 beginnt der Exodus der Babyboomer aus dem Erwerbsleben. Und spätestens dann sind Entscheidungen notwendig, die möglicherweise zulasten der Rentner, dafür aber zugunsten der jungen Menschen ausfallen.

Innovativer ist hingegen die Idee einer Ergänzung des Umlageverfahrens durch kapitalgedeckte Ansprüche innerhalb des Systems der gesetzlichen Rente. Der Fonds soll die gesetzliche Rente stabilisieren, indem diese nicht mehr nur von der Demografie und der Konjunktur abhängig ist, sondern auch Mittel an den Kapitalmärkten generieren kann. Dazu soll nach dem Vorbild Schwedens ein Staatsfonds aufgebaut werden, der sein Kapital auch in Aktien investiert. Als Startkapital sollen dem Fonds aus Steuermitteln 10 Mrd. Euro zufließen. Aus der Rendite eines solchen Fonds könnten Mittel in die laufenden Renteneinzahlungen einfließen. Am Rande: Fachleute haben berechnet, dass mit den 10 Mrd. Euro gerade einmal ein Euro Rente pro Monat finanziert werden könnte. Die wichtigsten Fragen sind aber noch unbeantwortet: Wie werden die Ansprüche eines zukünftigen Rentners berechnet? Wird der Fonds weiter aus Steuern finanziert oder sollen Beiträge erhoben werden? Sind diese ggf. additiv zu den heute 18,6 Prozent Beitragssatz oder werden sie von diesen abgezweigt? Wenn additiv, dann wieviel? Sollen auch die Arbeitgeber zusätzlich einzahlen? In welche Anlagen soll der Fonds investieren? Und wer soll ihn managen? Man sieht: Eine gute Idee mit vielen offenen Fragen. Und wobei das Konzept auch nicht weiterhilft: Für die Finanzierung der Renten der geburtenstarken Jahrgänge kommt diese Idee Jahrzehnte zu spät.

Private Rente

In der privaten Rente geht es der Ampelkoalition vor allem um zwei Fragen: Was geschieht mit dem Riester-Sparen? Und wie lautete die Antwort der privaten Altersvorsorge auf lang andauernde Nullzinsen?

Riester

Für Riester gibt es einen Bestandsschutz. Wer also einen Riestervertrag hat, kann davon ausgehen, bis zum Ablauf staatliche Zulagen zu bekommen. Was im Koalitionsvertrag fehlt, sind Hinweise auf eine Reform. Aber die wäre auch für Bestandsverträge notwendig. Denn mit dem derzeitig komplexen System aus Förderbedingungen und Zulagen ist Riester zu komplex und damit kostenintensiv. Und die Bruttobeitragsgarantie verhindert nennenswerte Renditen. Im Neugeschäft bleibt abzuwarten, ob die neue Regierung die Zulagen streicht. Das Produkt wäre dann nicht mehr zukunftsfähig.

Nullzinsumfeld

Die Antwort auf das Nullzinsumfeld soll eine stärker aktienbasierte private Rente sein. Dazu soll es neben dem in der gesetzlichen Rente einen zweiten Staatsfonds geben, der zumindest einen Teil der Mittel in Aktien investiert. Auch hierzu sind viele Fragen offen. Klar ist jedoch, dass der Fonds für alle verpflichtend sein soll, neben der gesetzlichen Rente also ein zweites „Zwangssystem“ für die Rente. Allerdings soll es die Möglichkeit geben, alternativ ein privates Produkt abzuschließen (Opt-Out). Dieses wird aber bestimmte Anforderungen erfüllen müssen, die von der Politik festgelegt werden. Nicht dazu gehört explizit die Riester-Rente. Geringverdiener sollen die Möglichkeit einer staatlichen Förderung für solche zertifizierten Produkte erhalten.

Was ist von diesem Staatsfonds zu halten? Zunächst einmal stellt sich die Frage, warum die Politik die private Altersvorsorge teilweise verstaatlichen will? Dies überrascht allein deshalb, weil inzwischen nahezu das gesamte Neugeschäft mit Privatrenten fondsbasiert ist und die Anzahl der Aktiensparer in den letzten 2 Jahren sehr dynamisch gewachsen ist. Bürger und Finanzwirtschaft sind also offensichtlich ganz ohne Staat und Zwang in der Lage, die Altersvorsorge weg von zins- hin zu mehr aktienbasierten Anlageformen zu transformieren. Das geplante Obligatorium ist kritisch zu sehen, weil es viele Bürger gibt, die gar keine zusätzliche Rente benötigen, zum Beispiel weil sie über Alterseinkommen aus Vermietung oder aus Vermögen verfügen können. Die Opt-Out-Möglichkeit ist vermutlich eher eine Art Feigenblatt. Denn ein Staatsfonds mit Zwangssystem hätte keine Vertriebskosten und Teile der Kosten würden aus Steuermitteln getragen werden. Die Kosten für die Beratung lägen bei den Arbeitgebern. Private Anbieter hätten also allein wegen der Kosten erhebliche Wettbewerbsnachteile und würde so wohl nicht konkurrieren können.

Was wäre wünschenswert? Anstelle eines Staatsfonds sollte besser die schon heute freiwillig starke Bewegung hin zur aktienbasierten Altersvorsorge zum Beispiel durch steuerliche Vorteile verstärkt werden. Ein guter Vorschlag dazu: Warum nicht für jeden Bürger ein Steuerfreibetrag auf Kursgewinne und nicht ausgeschüttete Dividenden zum Beispiel in Höhe von 50.000 Euro, der einmal im Leben ab dem 60. Lebensjahr genutzt werden kann? Allein dies würde sehr schnell zu einer noch viel höheren Durchdringung des aktienbasierten Vorsorgesparens führen. Ganz ohne Staat und Zwang.

Versicherungspflicht für Selbständige

Die Idee einer Rentenversicherungspflicht für Selbständige ist gut und richtig. Denn zu viele Selbständige versäumen es, früh genug und ausreichend für das Alter vorsorgen. Nicht selten endet dies dann beim Gang zum Sozialamt. Auch hier sind viele Fragen offen. Positiv zu bewerten ist, dass es keinen Zwang zur Einzahlung in die gesetzliche Rente geben soll. Stattdessen sind auch private Verträge anrechnungsfähig, vermutlich auch die Basisrente. Auch soll es in den ersten Jahren nach Gründung Erleichterungen geben, was die Höhe der Beiträge angeht. In diesem Bereich ist die Ampelkoalition also offensichtlich auf einem Weg, der den Betroffenen gerecht wird, der Eigenverantwortung belohnt und der der privaten Finanzwirtschaft die Chance lässt sich zu beweisen. Bleibt zu hoffen, dass ein solcher Weg am Ende auch für die private Altersvorsorge gefunden wird.

 

Verfasser Co-Leiter Fachkreis bAV/LV
Thorsten Rolf Dipl. Betriebswirt Lehrgang `93
Mitglied des Vorstandes